Wenn ein Besucher einer Veranstaltung stolpert, z.B. in einem Museum oder allgemein in einem Gebäude oder auf der Straße, wird sich dieser irgendwann sicher fragen, wer dafür eigentlich verantwortlich ist.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Er selbst oder der Veranstalter bzw. Betreiber. Hier kommt es immer auf den Einzelfall an.
Das Oberlandesgericht Schleswig hat einen solchen Einzelfall nun beigesteuert. In diesem Fall ging es um eine Besucherin, die in einem Tierpark eine Nachbildung eines historischen Geestbauernhofes aufgesucht hat, in dessen Eingangsbereich es verschiedene Pflasterungen und Höhenunterschiede gab. Sie stürzte dort und verletzte sich schwer und warf dem Parkbetreiber vor, dass er die Stelle nicht ausreichend gesichert habe.
Die Klage wurde vom Oberlandesgericht abgewiesen. Nach seiner Auffassung war der Parkbetreiber nicht verpflichtet, die Stolperstelle zu beseitigen oder vor ihr zu warnen:
- In einem Tierpark sei nämlich allgemein mit Unebenheiten und unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten zu rechnen, so dass sich der Besucher schon generell vorsichtiger bewegen müsse.
- Bei Gebäuden, die erkennbar nach historischem Vorbild errichtet worden sein, würde dies umso mehr gelten. Besucher können dort nicht den Boden erwarten, den sie beim Betreten eines modernen Gebäudes erwarten könnten. Der Besucher müsse hier also umso vorsichtiger sein.
- Hinzu kam in dem Fall, dass der Besucher vom Hellen ins Dunkle gehen musste, und sich seine Augen erst einmal an die Lichtunterschiede gewöhnen mussten. Hier hätte die Besucherin dann aber umso mehr vorsichtig sein und ggf. stehen bleiben müssen, bis sich ihre Augen an das dunklere Licht gewöhnt hätten.
Das Gericht ging hier also von einem Selbstverschulden der Besucherin aus.
Man kann es auch anders herum sehen…
Natürlich hätte das Gericht auch genau anders herum entscheiden können, mit genau umgekehrten Argumenten:
- Wenn ein historisches Gebäude erkennbar nur nachgebaut wird, kann man damit rechnen, dass es gerade nicht vor unnötigen Stolperfallen wimmelt.
- Wenn der Betreiber selbst auch erkennen muss, dass der Besucher vom hellen Außenbereich in das dunkle Haus gehen muss, dann könnte man umso mehr vom Betreiber verlangen, dass er dafür sorgt, dass sich nicht ausgerechnet im Eingangsbereich Stolperstellen befinden. Dies könnte umso mehr gelten, wenn der Besucher durch hinter ihm hergehende Besucher nahezu schon dazu gedrängt wird, nicht stehen zu bleiben (bis sich das Auge an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hat), sondern doch endlich weiterzugehen. Lustigerweise war es dasselbe Oberlandesgericht Schleswig, dass einmal beim Ausrutschen auf einem nassen Gehwegsbelag entschieden hat, dass der Spaziergänger gar nicht anders könne als über die nassen Fliesen zu laufen, weil er von anderen Spaziergängern auf die gefährliche Stelle „geschoben“ wurde.
- Es wäre dem Betreiber ohne Weiteres zumutbar gewesen, zumindest im Eingangsbereich nicht allzu viel Wert auf Historie zu legen und aus Sicherheitsgründen unebenen Boden zu vermeiden, zumal auch keine sonderlichen zusätzlichen Kosten entstanden wären (das Gebäude wurde ja ohnehin komplett neu gebaut).
Man sieht: Man kann vieles auch andersherum sehen.