Auf vielen Eintrittskarten findet sich der Hinweis „Keine Haftung für Sach- und Körperschäden“. Zu diesem kurzen Sätzchen kann der Jurist viel schreiben:
Bei diesem Hinweis handelt es sich rechtlich um AGB: AGB sind alle vorformulierten Vertragsbedingungen, die der Verwender mehrmals einsetzen möchte. Da mehrere Besucher die Eintrittskarte erhalten und damit der aufgedruckte Hinweis gegenüber diesen mehreren Besuchern gelten soll, handelt es sich um eine AGB-Klausel. Die Folge: AGB sind nur wirksam, wenn sie den (sehr strengen) Anforderungen des AGB-Rechts entsprechen. Ab § 305 BGB finden sich hierzu Regeln, die bei der Erstellung von AGB zu beachten sind.
Die 5 Grundregeln für wirksame AGB:
- AGB müssen vor Vertragsschluss in den Vertrag einbezogen werden.
- AGB dürfen nicht überraschend sein (bspw. an einer Stelle im Vertrag stehen, an der man mit dieser Regelung nicht mehr zu rechnen braucht)
- AGB müssen eindeutig formuliert sein, d.h. wenn die Klausel mehrere Interpretationen zulässt, ist sie mehrdeutig und damit unwirksam.
- AGB müssen transparent sein, d.h. lesbar (z.B. vernünftige lesbare Schriftgröße).
- AGB dürfen den anderen Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen. D.h.: Die AGB dürfen den anderen Vertragspartner zwar benachteiligen (bspw. allein, weil man mit den AGB vom Gesetz abweicht), aber sie dürfen ihn eben nicht unangemessen benachteiligen. Was das Gesetz als unangemessen ansieht, findet sich in den § 308 BGB und § 309 BGB, außerdem findet sich eine „Auffangklausel“ in § 307 BGB.
Die Klausel auf der Eintrittskarte „Keine Haftung…“ ist also aus mindestens zwei Gründen unwirksam:
Da der Besucher die Eintrittskarte typischerweise erst nach Vertragsschluss ausgehändigt erhält, ist die AGB-Klausel nicht vor Vertragsschluss einbezogen. Alleine, weil die AGB also „zu spät“ kommen, sind sie unwirksam.
Die Klausel benachteiligt den Besucher unangemessen, wenn der Veranstalter jegliche Haftung ausschließt: Damit schließt er nämlich auch eine Vorsatztat aus. Auch das Gesetz will solch umfangreiche Haftungsausschlüsse in AGB nicht (siehe § 309 Nr. 7 BGB): So lässt sich nämlich die Haftung für Körperschäden in AGB gar nicht ausschließen (also nicht einmal die leicht fahrlässige Haftung!, siehe § 309 Nr. 7a BGB). Bei den Sach- und Vermögensschäden lässt sich wirksam nur die leichte Fahrlässigkeit ausschließen (siehe § 309 Nr. 7b BGB).
Die Folge: Die AGB-Klausel ist also unwirksam. Als „Strafe“ sieht das Gesetz dann vor, dass anstelle der unwirksamen Klausel wieder die gesetzliche Regelung gilt: Und die sieht vor, dass für allerleichteste Fahrlässigkeit auch schon gehaftet wird. Der Veranstalter, der also versucht hatte, seine Haftung auszuschließen, haftet nun (doch wieder) voll.
Manche Veranstalter bzw. allgemein manche AGB-Ersteller verfolgen damit aber auch eine gewisse Absicht: Sie wissen genau, dass die Klausel X unwirksam ist, sie hoffen aber, dass der geschädigte Vertragspartner sich in Unkenntnis trotzdem daran hält.
Ein Beispiel: Der Besucher stolpert die Treppe hinunter, weil die Treppe für den Besucher nicht sichtbar rutschig ist. Nachdem er unten schneller angekommen ist als oben noch geplant, hat er nun ja noch etwas Zeit gewonnen, die er dazu einsetzen kann, vom Veranstalter Schmerzensgeld zu verlangen. Der Veranstalter verweist mit ernstem Gesicht auf seine AGB. Schwer beeindruckt entschuldigt sich der verletzte Besucher und sucht humpelnd das Weite. Schon hat sich der Veranstalter möglicherweise Geld gespart.
Hier droht nun aber dem Veranstalter ggf. Ungemach
Die Wettbewerbszentralen und der Verbraucherschutz haben sich in der Vergangenheit bereits immer öfter AGB-Ersteller vorgeknöpft, die unwirksame AGB eingesetzt haben. So wurden bspw. Unternehmer abgemahnt, die in ihren AGB stehen hatten: „Ist eine Klausel in den AGB unwirksam, so verpflichten sich die Vertragspartner, die unwirksame Klausel durch eine Klausel zu ersetzen, die der unwirksamen Klausel wirtschaftlich am nächsten kommt“.
Auch solch eine Klausel ist in AGB unwirksam: Denn wenn eine Klausel einmal unwirksam ist, soll automatisch das Gesetz gelten (§ 306 Abs. 2 BGB). Der andere Vertragspartner, der ja unangemessen benachteiligt wurde, soll eben nicht dazu gezwungen sein, nachzuverhandeln. Der Unternehmer, der versucht hat, seinen Kunden über den Tisch zu ziehen, soll damit bestraft werden, dass sofort die gesetzliche Regelung gilt, und nicht eine mildere nachzuverhandelnde Klausel.
Im Interesse des fairen Wettbewerbs aber auch im Interesse der Besucher ist daher gerechtfertigt, wenn auch die Verwendung der Klausel „Keine Haftung für Sach- und Körperschäden“ abgemahnt wird – bzw. idealerweise sich der Veranstalter gleich zu seiner Verantwortung bekennt und nicht versucht, zu tricksen.
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