Seit dem 28. Juni 2025 müssen Kunden‑Websites, Apps und Online‑Shops barrierefrei sein. Wer noch keine WCAG‑konforme Umsetzung vorgenommen hat, riskiert empfindliche Bußgelder. Wir zeigen, welche Pflichten nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) gelten, welche Ausnahmen bestehen und mit welchem 6‑Wochen‑Plan Sie rasch nachziehen können.
1. Rechtsrahmen und Anwendungsbereich
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt die EU‑Richtlinie 2019/882 um und verpflichtet privatwirtschaftliche Anbieter, ihre digitalen Angebote für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu gestalten. Betroffen sind insbesondere B2C‑Websites, Webshops, Buchungs‑ und Vergleichsportale sowie Kunden‑Apps. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 100.000 €.
2. Welche Unternehmen sind ausgenommen?
- Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und maximal 2 Mio. € Jahresumsatz, sofern sie ausschließlich Dienstleistungen anbieten (§ 3 Abs. 3 BFSG).
- Reine B2B‑Plattformen ohne Endkundenbezug.
- Private oder nicht gewinnorientierte Websites und Apps.
- Intranets/Extranets, die vor dem 28. Juni 2025 veröffentlicht und seither nicht grundlegend überarbeitet wurden.
- Archivierte PDF‑Inhalte und Videos, die nicht mehr aktiv in Kundenprozessen genutzt werden.
- Nachweislich unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung – dies ist zu dokumentieren (§ 5 BFSG).
3. Sechs‑Wochen‑Fahrplan zur BFSG‑Konformität
- Woche 1‑2: Bestandsaufnahme mit Tools wie WAVE, Google Lighthouse oder Pa11y; PDF‑Formulare, Captchas und Kontraste erfassen.
- Woche 3‑4: Umsetzung starten – Alt‑Texte ergänzen, Farbkontraste anpassen, semantisches HTML einsetzen, Tastaturbedienung sicherstellen.
- Woche 5: Responsives Verhalten und mobile Bedienbarkeit in gängigen Browsern prüfen.
- Woche 6: Abnahme per Screen‑Reader‑Test (NVDA bzw. VoiceOver), Barrierefreiheitserklärung erstellen und Projektdokumentation archivieren.
4. Was zählt als barrierefrei?
Wesentliche Messlatte sind die WCAG 2.1‑Erfolgskriterien sowie die EN 301 549. Dazu gehören unter anderem:
- Alternative Texte für alle Grafiken
- Farbkonstraste von mindestens 4,5 : 1
- Bedienbarkeit aller Funktionen per Tastatur ohne „Keyboard‑Traps“
- Klar strukturierter Code mit <main>, <nav>, <section> usw.
- Verständliche Fehlermeldungen in Formularen
- Keine Captchas ohne barrierefreie Alternative
5. Förderprogramme nutzen
Je nach Bundesland können bis zu 80 % der Kosten für Barrierefreiheitsmaßnahmen bezuschusst werden. Fördergeber sind meist Wirtschafts‑ und Digitalministerien der Länder. Anträge sollten vor Projektstart gestellt werden; eine nachträgliche Förderung ist regelmäßig ausgeschlossen.
6. Sanktionen und Durchsetzung
Die Marktüberwachungsbehörden können bei Verstößen gegen das BFSG Bußgelder verhängen, Produkte vom Markt nehmen oder den Vertrieb untersagen. Darüber hinaus drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen durch Mitbewerberverbände.
7. Handlungsempfehlung für Unternehmen
- Accessibility‑Audit beauftragen und Restmängel systematisch abarbeiten.
- Barrierefreiheitserklärung rechtssicher in Datenschutz‑ bzw. Impressums‑Bereich integrieren.
- Entwicklungsteams in WCAG‑Konzepten schulen, um künftige Releases standardkonform zu halten.
- Fördermöglichkeiten frühzeitig prüfen und beantragen.
- Compliance fortlaufend dokumentieren, um Nachweispflichten gegenüber Behörden zu erfüllen.
FAQ – Häufige Fragen
- Gilt das BFSG auch für reine B2B‑Websites? Nein. Rein unternehmensinterne oder ausschließlich an Geschäftskunden gerichtete Portale sind vom Gesetz ausgenommen.
- Kann ich PDF‑Anhänge unverändert lassen? Nur, wenn sie archiviert und nicht mehr aktiv im Kundendialog genutzt werden. Andernfalls müssen PDFs barrierefrei überarbeitet werden.
- Welche Rolle spielt die Barrierefreiheitserklärung? Sie informiert Nutzer transparent über den Stand der Barrierefreiheit und die Kontaktmöglichkeit bei Problemen – Pflichtdokument nach § 12 BFSG.
- Gibt es Übergangsfristen nach dem 28. Juni 2025? Nein. Die Anforderungen gelten unmittelbar seit Inkrafttreten des Gesetzes.