Das Bundesarbeitsgericht haben am 14.09.2022 doch etwas überraschend entschieden, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer kontrollieren müssen.
Das Bundesarbeitsgericht stützt sich dabei auf eine bereits etwas ältere Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, der die Arbeitszeiterfassung bereits angemahnt hat. In Deutschland muss bislang nur die über die normale Arbeitszeit hinausgehende Überstunde erfasst werden – aber eben nicht die reguläre Arbeitszeit. Es war umstritten, ob Arbeitgeber bereits aufgrund des EuGH-Urteils erfassen müssen, oder ob es erst ein neues Gesetz dazu geben muss.
Nun aber ist es mehr oder weniger offiziell: Es muss erfasst und kontrolliert werden.
Eine Rechtsgrundlage sieht das Bundesarbeitsgericht in § 3 Absatz 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz. Dort heißt es:
„Zur Planung und Durchführung der Arbeitsschutz-Maßnahmen hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen…“
In der bisher nur vorliegenden Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts heißt es dazu lapidar: „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“
In der Bundesregierung war zuvor diskutiert worden, ob man ein Gesetz schreiben solle. In der Diskussion dazu ging es auch um die Frage, ob Kleinbetriebe von der Kontrollpflicht ausgenommen werden sollten.
Diesen Überlegungen hat das höchste deutsche Arbeitsgericht nun einen Strich durch die Rechnung gemacht – auch Kleinstbetriebe müssen Arbeitsschutz gewähren, und sind somit offenbar auch von der vom Bundesarbeitsgericht festgestellten Kontrollpflicht erfasst.
Die Konsequenzen für Arbeitnehmer
Vorteile: Die Aufzeichnung der Arbeitszeit schon ab der 1. Minute soll Arbeitnehmer erleichtern, nachweisen zu können, wenn sie Überstunden ableisten müssen, und dann leichter Ansprüche geltend machen können.
Bedenken: Arbeitnehmer könnten sich kontrolliert fühlen bzw. können kontrolliert werden (jedenfalls in zeitlicher Hinsicht, es muss ja kein Tätigkeitsbericht ausgefüllt werden). Das Arbeitsmodell der Vertrauensarbeitszeit könnte vor dem Aus stehen.
Die Konsequenzen für Arbeitgeber
Aufzeichnungen ab der 1. Minute der Arbeitszeit bedeuten, dass Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz nicht nur schneller auffallen, um künftige Verstöße zu vermeiden – sondern auch, dass damit Verstöße dokumentiert werden.
Das hat eine besondere Brisanz, weil Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz dann sogar eine Straftat (!) sein können, wenn sie „beharrlich wiederholt“ werden (siehe § 23 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG). Solange also die Aufzeichnung der Arbeitszeiten der Mitarbeiter nicht manipuliert werden, wird auch ein Arbeitgeber nicht mehr ernsthaft behaupten können, er habe das nicht gewusst… denn er soll ja die Aufzeichnungen auch kontrollieren.
Wer dem Arbeitnehmer keine Erfassungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt und damit die Arbeitszeit nicht kontrollieren kann, verstößt nach aktuellem Stand gegen das Arbeitsschutzgesetz.
Außerdem wird es ein Arbeitnehmer leichter haben, eine Vergütung für behauptete Überstunden durchsetzen zu können: Denn bislang muss(te) der Arbeitnehmer beweisen, dass er Überstunden geleistet und der Arbeitgeber diese angeordnet oder zumindest geduldet hatte. Das dürfte sich nun umkehren, bzw. der Arbeitnehmer es erheblich einfacher haben, Überstunden zu behaupten – und wenn der Arbeitgeber kein Zeiterfassungssystem zur Verfügung gestellt hatte, könnte der Arbeitgeber die Beweislast tragen, dass die Überstunden nicht angefallen waren und/oder er sie nicht angeordnet hat.
Es besteht Handlungsbedarf – jetzt
Arbeitgeber sollten jetzt handeln, denn das Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichts gilt ab sofort. Natürlich kann es sein, dass der Gesetzgeber diese Pflicht später mal noch abmildert, aber das ist erstens unklar, und zweitens auch, ob überhaupt. Also sollte der Arbeitgeber die Möglichkeiten der Umsetzung alsbald prüfen und angehen.
Kommt ein Gesetz?
Das Urteil scheint (es liegen noch keine ausführlichen Gründe vor, nur die Pressemitteilung des Gerichts) alle Betriebe zu betreffen, unabhängig von ihrer Größe, denn das Arbeitsschutzgesetz gilt für alle. Dann müssen auch Kleinstbetriebe mit nur einem Arbeitnehmer aktiv werden.
Es kann sein, dass der Gesetzgeber nun doch noch aktiv wird, und gesetzlich regelt, ob, wer wie die Arbeitszeit erfassen muss. Wir werden weiter berichten, wenn weitere Erkenntnisse vorliegen, insbesondere auch das ausführliche Urteil des Gerichts.
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