Derzeit erregt ein Urteil aus England die Gemüter mancher Fotografen: Ein Londoner Gericht hat einen Fotografen verurteilt, der das Motiv eines bereits bestehenden Fotos nachfotografiert hatte.
Aufgrund der Ähnlichkeit beider Motive entschied das Gericht auf eine Urheberrechtsverletzung.
Nach deutschem Recht würde eine Rechtsverletzung vorliegen, wenn der Zweitfotograf „wesentliche Grundzüge“ des Erstwerkes in sein Zweitwerk übernimmt.
Wer sich nur an der Idee des Erstwerkes orientiert, aber ein selbständiges neues Werk schöpft, begeht keine Rechtsverletzung.
Die praktische Grenze ist dabei allerdings leider fließend. Es liegt in der Natur der Sache, dass hier stets im Einzelfall zu entscheiden ist.
Hintergrund ist die gesetzliche Regelung in § 23 UrhG und § 24 UrhG.
Ein Beispiel:
Ein Fotograf fotografiert das Freiburger Münster. Auf seinem Bild sind außerdem eine Straßenlaterne, eine Sitzbank und ein junges Pärchen zu sehen, das händehaltend spazieren geht. Das Foto ist schwarz-weiß.
Einem Kalenderverlag gefällt das Foto, empfindet aber den Preis des Fotografen als zu hoch. Er beauftragt daher einen anderen Fotografen, ein ähnliches Bild zu erstellen.
Wenn nun der Zweitfotograf sich plus/minus an derselben Stelle positioniert, und wenn dann ebenso dieselbe Straßenlaterne, die Sitzbank und ein händehaltendes Pärchen zu sehen ist, dann spricht einiges für eine Urheberrechtsverletzung, da die wesentliche Grundzüge des Bildes übernommen sind.
Ein anderes Beispiel:
Die Zeitschrift Focus hatte einmal auf ihrem Titelbild den Bundesadler abgedruckt, der in seiner Kralle ein Bündel Geldscheine festhielt. Der Leitartikel setzte sich mit der Wirtschaft des Bundes auseinander.
Hier hatten die Gericht, zuletzt der Bundesgerichtshof, festgestellt, dass wesentliche Grundzüge des Originals (damals noch im Bonner Bundestag hängend) übernommen worden seien: Die selbe Blickrichtung, dieselbe Anzahl sichtbarer Federn, Größenverhältnisse, Flügelschlag usw. Es lag auch auf der Hand, dass Focus hier das Original darstellen wollte.
Somit hätte grundsätzlich der Urheber um Erlaubnis für die Bearbeitung gefragt werden müssen; da dieser bereits verstorben war, die 70-jährige Schutzfrist aber noch lief, hätten die Erben gefragt werden müssen. Dies war aber nicht geschehen.
Allerdings bestätigte der Bundesgerichtshof die Auffassung des Focus, dass es sich bei der Abbildung erkennbar um eine satirische Darstellung handele. In diesem Fall sei die Einholung eines Bearbeitungsrechts nicht erforderlich.
Tendenziell sind der Schutz des Urhebers des Erstwerkes und das Interesse anderer Fotografen, sich künstlerisch zu betätigen, miteinander abzuwägen.
Thomas Waetke
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht